Die Musik-Biennale Berlin und die Orgel

Mi, 30.03.2011 10:00-12:00 Fritz-Reuter-Saal der Humboldt Universität zu Berlin (Mitte), Dorotheenstraße 24, 10117 Berlin

Eintritt frei

 

Akteure:

Christian Collum (Köln), Orgel
Lothar Voigtländer (Berlin), Gesprächsgast
Dietmar Hiller (Berlin), Moderation

 

Die Orgel im Fritz-Reuter-Saal ist inzwischen schon ein historisches Instrument. Obwohl sie nicht speziell für die Interpretation zeitgenössischer Musik gebaut wurde, wurden auf ihr zahlreiche Uraufführungen realisiert.

Im Rahmen dieser Veranstaltung werden Zeitzeugen befragt. Was heißt es, an einem solchen Instrument Neue Musik zu präsentieren? Welche Schwierigkeiten und Chancen hatte die Neue Orgelmusik in der DDR und wie hat sich diese Situation nach der Wende verändert?

Der internationale Bachpreisträger (1968) und Träger des Kritikerpreises der Internationalen Musikbiennale in Berlin (1975) an der Orgel und im Gespräch mit Dietmar Hiller, Dramaturg des Konzerthauses Berlin. Als Gesprächsgast wird der Komponist Lothar Voigtländer anwesend sein.

 

Programm:

  • Lothar Voigtländer Introitus (1989)
  • Rainer Kunad Miniaturen für Orgel und Schlagwerk (1977/78), Orgelfassung
  • anschließend Gespräch
  • Herbert Collum Concerto in fünf Sätzen (1976): Präambel – Klangflächen – Vision – Klangfarben – Postludium (Auftragswerk für die Einweihung der Jehmlich-Orgel in der Stadthalle im damaligen Karl-Marx-Stadt)
  • anschließend Gespräch
  • Andreas Aigmüller Impromtus (1979)

 

Den zwölf Miniaturen liegt eine Siebentonreihe zugrunde, die eingebettet ist in die Kadenzakkorde Es- und As-Dur. Der Komponist spielt mit der Originalreihe, der Tritonus wird als Intervall klangbestimmend. Neue Töne erweitern die Urreihe, kleine und große Terzpassagen erklingen. Die Musik vibriert in ihrem reizvollen rhythmischen Mikrokosmos in großer dynamischer Vielfalt mit Tremoli, Ostinati und Klangsprüngen. Die Miniaturen entstanden ursprünglich auf Anregung Christian Collums und wurden später wiederum auf dessen Bitte hin für die Aufführung ohne Schlagwerk autorisiert. Kunad ließ sie u.a. als Musik zum Kleistschen Schauspiel „Kätchen von Heilbronn“ im Dresdner Schauspielhaus spielen.

 

Dem fünfsätzigen Concerto von Herbert Collum liegt eine atonale Tonreihe zugrunde, die auf folgendem Text basiert: „Factus in Karl-Marx-Stadt – Große Orgel der Stadthalle zu Karl-Marx-Stadt erbaut von der VEB Dresdner Orgelbauanstalt vormals Gebrüder Jehmlich – Orgelweihekonzert 9.5.1976.“ Beginnend mit dem Ton c1 wird jedem Ton chromatisch aufwärts ein Buchstabe des Alphabets zugeordnet. Das gesamte Werk ist aus dieser Tonreihe entwickelt, im vertikalen und horizontalen musikalischen Ablauf – ein singulärer Kompositionsplan im Schaffen Herbert Collums. Es ergeben sich serielle, atonale und freimetrische musikalische Abläufe, es entstehen verschiedenste Farben und Registrierungen, die die große Konzertsaalorgel vorstellen sollen. Am Schluss des Werks erklingt die Laufschrift einstimmig und im Krebs. Das Werk endet mit dem selben Ton, mit dem es begonnen hat.

 

Andreas Aigmüllers „Impromtus“ entstanden auf Wunsch von Christian Collum. Es sollten Stücke sein, die der Vorliebe des Komponisten für Jazzmusik entsprachen. In seiner Studienzeit an der Berliner Musikhochschule spielte er selbst aktiv Jazz und beschäftigte sich mit der Musik Chick Coreas und Keith Jarretts und verehrte besonders Gustav Mahler, Igor Strawinski und die „Wiener Schule“. Als Solopauker der Berliner Staatskapelle war er mit allen rhythmischen Raffinements vertraut. Witz, Humor und eine gewisse Naivität bis hin zu nachdenklicher, aber auch aggressiver Stimmung prägen die emotionalen Impromtus, die in eine Doppelfuge mit Zwölftonthema münden und das Werk beschließen.

 

Christian Collum


 

Christian Collum wurde in Dresden geboren. Sein Vater Herbert Collum war 1935-1982 Organist an der Kreuzkirche Dresden, Dirigent und Komponist. Seine Mutter war Konzertsängerin und Gesangsdozentin. Studium an der Leipziger Musikhochschule. Staatsexamen in den Hauptfächern Klavier, Orgel und Orchesterdirigieren. Teilnahme an internationalen Meisterkursen in Haarlem (NL), Metz (F), Pistoia (I) und an der Norddeutschen Orgelakademie. Mehrere Musikpreise, u.a. Internationaler Bach-Preis Leipzig (1968), Kritikerpreis der Stadt Berlin (1975), Prix Italia für die Uraufführung zeitgenössischer Orgel- und Chor/Orchesterwerke.

Er engagiert sich für die Kompositionen von Herbert Collum, führt sie in Konzerten mit Erfolg auf und verwaltet den umfangreichen Nachlass seines Vaters.

 

 

In Kooperation mit der Musik an der Humboldt-Universität zu Berlin